Donnerstag, 1.9.2011
Wer in eine andere Stadt oder an einen anderen Ort umzieht, lässt viel zurück.
Meine Familie ist vor kurzem von Wien nach Oberösterreich gezogen. Für mich ist das ein großes Abenteuer. Ich bin eigentlich ein typischer Großstadtmensch. In den letzten Wochen vor dem Umzug war ich innerlich schon sehr mit dem Loslassen beschäftigt.
Das Abschied nehmen von besonderen Orten ist mir schon als Kind wichtig gewesen. Irgendwie gehört da ja beides dazu: Ich möchte ein bestimmtes Gefühl, eine Erinnerung für mich festhalten, mitnehmen, aber dafür muss ich auch bewusst loslassen können.
In den meisten Religionen gibt es heilige Orte. Heilige Orte sucht man auf, um Kraft für den Alltag zu bekommen, aber man muss sie auch wieder loslassen. In der katholischen Kirche sind es Wallfahrtsorte, zu denen man pilgern kann. Im Judentum ist es der Platz des ehemaligen Tempels in Jerusalem, wo Gott in besonderer Weise anwesend ist, im Islam gehört die Pilgerfahrt nach Mekka zu den religiösen Pflichten. In der evangelischen Kirche gibt es offiziell keine heiligen Orte. Nicht einmal Wittenberg, wo Martin Luther vor knapp 500 Jahren seine Thesen anschlug, gilt als heilig. Ich bin in dieser Hinsicht typisch evangelisch. Weil es keine offiziellen heiligen Orte gibt, muss ich sie mir selber suchen. In Wien habe ich meine persönlichen heiligen Orte losgelassen: die Kaffeehäuser, die Heurigen, die Donauinsel, die Friedhöfe – natürlich auch die Kirchen.
Ich freue mich auf die Entdeckung neuer heiliger Orte in meiner jetzigen Wahlheimat Oberösterreich.