Um religiösen Fanatismus zu verhindern, darf die Religion nicht in den privaten Raum zurückgedrängt werden.
Immer dann, wenn Gewalttaten bekannt werden, die möglicher Weise einen religiösen Hintergrund haben, fühlen sich die Kritiker bestärkt, die behaupten, Religionen bringen Unfrieden in die Welt.
Der Heidelberger Religionswissenschafter Jan Assmann hat vor mehr als 10 Jahren die Theorie aufgestellt, es gebe einen direkten Zusammenhang zwischen Monotheismus und Gewalt. Der Glaube an einen einzigen Gott führe die Menschen zur Intoleranz gegenüber allen, die die Wahrheit dieses Gottes nicht anerkennen.
Die Anhänger dieser Theorie brauchen nicht lange zu suchen, um Beispiele zu finden, die sie bestätigen. Kriege und Gewalttaten im Namen eines Gottes hat es genug gegeben. Konfessionskriege und Vertreibungsgeschichten ziehen eine lange Spur auch durch unser Land.
Ja, der Glaube an einen Gott wird auch heute noch immer wieder für eigene Machtansprüche missbraucht.
Aber welche Schlussfolgerungen werden daraus gezogen?
Die einen suchen ihr Heil in der Rückkehr zu den heidnischen Göttern, zur Göttervielfalt. Andere meinen, die Religionen sollten sich in den privaten Bereich zurückziehen, damit sie kein Unheil mehr anrichten können.
Ich halte das für den falschen Weg, ja sogar für sehr gefährlich!
Im Gegenteil: Religion braucht Öffentlichkeit!
Religiöse Gruppierungen, die nur unter sich bleiben, tendieren nach meiner Erfahrung viel stärker zum Denken in Schwarz und Weiß. Sie teilen die Welt gerne in Freunde und Feinde ein.
Religionen, die in der Öffentlichkeit stehen, müssen sich kritisch hinterfragen lassen. Sie müssen Außenstehenden Auskunft geben können über ihre Glaubensinhalte und ihre Glaubenspraxis. Und das ist gut so!
Eine Sprache muss gefunden werden, in der die Mitglieder einer Religionsgemeinschaft und die kritischen Beobachter von außen miteinander kommunizieren können. Das ist schwierig, wie die Diskussion über das Volksbegehren gegen so genannte Kirchenprivilegien in den letzten Wochen gezeigt hat. Nach meiner Beobachtung wurde da oft aneinander vorbei geredet, weil viele Begriffe völlig unterschiedlich verwendet werden.
Respekt und Toleranz müssen eingeübt werden
Miteinander reden, einen Dialog führen – das ist für mich die wichtigste Schlussfolgerung aus dieser Debatte.
Nicht übereinander reden, über die anderen, die Religiösen, die Anders-Religiösen oder die Nicht-Religiösen, sondern miteinander. Ich meine, unsere Gesellschaft braucht noch viel mehr Orte, wo das geschieht.
Ein wichtiger Ort dafür ist die Schule, der Religionsunterricht. Miteinander reden. Die Zahl der Projekte, in denen ialog passiert, wächst. Hier geschieht Begegnung mit Andersdenkenden, Andersgläubigen. Das ist erfreulich. Der Religionsunterricht will die jungen Menschen befähigen, über ihren Glauben Auskunft zu geben und sich auch kritischen Anfragen zu stellen.
Toleranz und Respekt voreinander – das ist ein lohnendes Ziel, um jeder Form von weltanschaulichem Fanatismus und Gewalt entgegenzuwirken.
Dieser Monat April steht in meiner Stadt Wels unter diesem Zeichen: Respekt und Toleranz. Eine Vielzahl von Veranstaltungen und Projekten will diese Grundhaltung fördern, die in unserer pluralistischen Gesellschaft Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben ist.
In einer Gesprächsrunde zwischen Christen und Muslimen wurde nach einer religiösen Begründung für die Menschenrechte gefragt.
Als evangelischer Christ suche ich die Antwort in der Bibel und finde sie gleich am Anfang in der großen Erzählung von der Schöpfung: Der Mensch, so lese ich, wurde als Ebenbild Gottes geschaffen. Jeder Mensch, jeder Mann, jede Frau.
An einen Gott glauben heißt für mich, das Gesicht dieses Gottes in jedem Menschen zu sehen, egal, ob Christ oder Moslem, religiös oder nicht. Der Respekt vor der Menschenwürde darf an keinen Grenzen Halt machen.
Ein wichtiger Auftrag an alle Religionen, ein öffentlicher Auftrag!