Die Fasten- oder Passionszeit ist eine gute Zeit, um darüber nachzudenken, was und wie viel wir im Leben wirklich brauchen.
Der Glaube kann helfen, uns in der Spannung zwischen Festhalten an Bewährtem und Öffnung gegenüber Erneuerung zu orientieren.
Soziales Engagement und lebendige Spiritualität
Zwei Schwestern wohnen miteinander. Die eine ist sozial engagiert, legt überall Hand an, wo sie gebraucht wird. Die andere führt gerne anregende Gespräche, interessiert sich für Gott und die Welt.
Die beiden verstehen einander ganz gut. Gerade in ihrer Verschiedenheit versuchen sie, die Stärke der jeweils anderen wertzuschätzen.
Aber einmal, als Besuch kommt, gibt es Streit. Martha, die praktisch veranlagte, kümmert sich in der Küche um das Essen, während ihre Schwester Maria den Erzählungen des Besuchers fasziniert zuhört. Martha reicht es. Sie wendet sich an den Besucher. Er könnte Maria doch sagen, dass sie ihrer Schwester helfen soll. Doch der antwortet: Marta, du hast viel Sorge und Mühe.
Maria hat das gute Teil erwählt, das soll nicht von ihr genommen werden.
Eine Frauengeschichte, die so in der Bibel steht. Eine Geschichte, die nicht nur Frauen angeht.
In der Kirche haben die Frauen sicher öfter die Martha-Rolle übernommen, die dienende, praktische, soziale.
Die Maria-Seite in der Geschichte, der spirituelle und intellektuelle Bereich wurde den Frauen oft nicht zugestanden.
So viel Du brauchst – beides gehört für eine lebendige Kirche zusammen: Soziales Engagement und lebendige Spiritualität. Caritas und Diakonie sollten nicht gegen Gebet und Gottesdienst ausgespielt werden, weder bei Frauen noch bei Männern.
Sich richtig freuen können
Mitten in der Fastenzeit erinnere ich mich an das letzte Weihnachtsfest.
Natürlich freuten auch wir uns auf die leuchtenden Kinderaugen unserer dreijährigen Tochter Frida unter dem Christbaum.
Alle Geschenke wurden von den Eltern pädagogisch sorgfältig ausgewählt, den Großeltern, Onkel und Tante mitgeteilt, mit welchen Spielsachen Frida gerade besonders gerne spielt.
Dann war der große Moment da: Das Geschenke-Auspacken unter dem beleuchteten Baum. In kurzer Zeit waren die Packerln ausgepackt, die Bilderbücher und Spielsachen wurden nur kurz gewürdigt. Wir Eltern waren ein wenig enttäuscht, dass Frida nicht bei jedem Geschenk einen Freudentanz aufführte oder wenigstens einen kurzen Jubelruf von sich gab.
Als wir sie am wir sie am nächsten Tag fragten, welches Geschenk ihr am meisten Freude bereitet hätte, antwortete sie: das Auspacken!
Die Kinder halten uns Erwachsenen in ihrem Verhalten regelmäßig einen Spiegel vor.
Soviel Du brauchst – was brauchen wir im Leben, um uns richtig freuen zu können?
Große Worte fallen mir dazu ein: Erfolg, Anerkennung, Liebe.
Darum bemühen wir uns, dafür strengen wir uns an – manchmal gelingt es, manchmal nicht.
Vielleicht sollten wir einfach dem Auspacken der vielen Geschenke im Alltag mehr Beachtung schenken. Der Freude am Moment des Entdeckens, was sich hinter all den Verpackungen verbirgt. Die Bibel nennt das „Gnade“.
Märchen und Sicherheit
Meine Tochter Frida hört gerne Märchen. Mit ihren drei Jahren weiß sie, wie ein echtes Märchen beginnt: Es war einmal…
Und sie kennt auch den obligaten Schlusssatz: … und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.
Ein bekannter Rahmen schafft Vertrauen. Wichtig ist, dass es etwas gibt, was die Kinder wiedererkennen.
Frida mag an den Märchen, dass sie immer gut ausgehen. Das gibt ihr Sicherheit. Da kann sie es sogar aushalten, dass zwischendurch der böse Wolf oder andere Ungeheuer auftreten.
Soviel Du brauchst – Wie viel Sicherheit brauchen wir?
Diese Frage taucht in den Medien meistens dann auf, wenn es um die Themen Kriminalität oder Landesverteidigung geht.
Ich will die Bedeutung dieser Bereiche nicht kleinreden. Ich bin aber davon überzeugt, dass Sicherheit in erster Linie eine Glaubensfrage ist. Glauben lernen heißt vertrauen lernen. Vertrauen darauf, dass es etwas gibt, das ich immer wieder erkennen kann, worauf ich mich immer verlassen kann.
Nein, wir leben in keiner Märchenwelt und es gibt viele Lebensgeschichten, die nicht gut ausgehen. Aber wenn wir es schaffen, Kindern zu zeigen, was Vertrauen bedeutet, werden es die bösen Wölfe und andere Ungeheuer in Zukunft schwerer haben, unsere Gedanken zu beherrschen.
Rituale: Bleibt alles gleich?
Meine Tochter Frida ist eine Ritualistin. Sie liebt die immer gleichen Abläufe. Ob vor dem Einschlafen, bei der Verabschiedung im Kindergarten oder bei Familienfeiern. An einem vertrauten Ritual kann Frida sich festhalten. Sie weiß, was sie erwartet.
Wenn einmal der gewohnte Lauf der Dinge unterbrochen oder geändert wird, protestiert sie.
In vielen Familien gibt es genau festgelegte Rituale für Feste. Der Heilige Abend z.B. muss nach einem bestimmten Drehbuch ablaufen: das Festessen ist immer das Gleiche, die Bescherung wird in einen bestimmten Rahmen gestellt, es darf nichts verändert werden.
Wenn ich mit Jugendlichen darüber spreche, bin ich erstaunt darüber, wie wichtig auch ihnen solche festen Rituale sind. Je schneller sich die Welt rundherum verändert, umso wichtiger wird es für viele, dass es etwas gibt, das immer gleich bleibt.
Als ich Jugendlicher war, habe ich wie viele meiner Generation so ziemlich alle Rituale kritisch angefragt. Vieles habe ich als inhaltsleer oder einengend empfunden. Am liebsten wollten wir alles neu erfinden.
Heute erlebe ich, wie wichtig Rituale sind, um das Leben in Gemeinschaft gestalten zu können. Aber auch Alleinstehende können sich an Ritualen festhalten.
Soviel Du brauchst: Rituale können unser Leben erleichtern und ihm Sicherheit geben. Rituale können belastend sein, wenn sie leer werden. Dann dürfen sie auch verändert oder durch neue ersetzt werden.
Traum und Wirklichkeit
Als fünfjähriger Bub war mein Traumberuf Bäcker, später wollte ich Sportreporter werden. Der Traumberuf ändert sich bei den meisten im Lauf des Lebens mehrmals. Manche Menschen tun alles, damit sie ihren Traum verwirklichen können, andere müssen sich bald davon verabschieden, weil der Weg dahin von zu vielen Hürden verstellt ist.
Ich musste bald einsehen: Bäcker ist nichts für mich, weil man da so früh aufstehen muss. Für einen Sportreporter bin ich wahrscheinlich zu langsam.
Aber aufgehört zu träumen habe ich nicht! Manches ist Wirklichkeit geworden, anderes nicht.
Träume sind ein wichtiger Motor für Veränderungen im Leben: Die gelebten und die ungelebten Träume. Ohne Träume hätte sich die Menschheit nicht weiterentwickelt. Träumer stehen immer in Gefahr, als Verrückte verspottet zu werden oder sogar ihr Leben zu riskieren. Der Prediger Martin Luther King zog mit seinem Traum vom Ende der Rassendiskriminierung Massen an, aber er musste diesen Traum auch mit seinem Leben bezahlen. Heute ist der Präsident der USA ein Farbiger.
So viel Du brauchst: Wer keine Träume mehr hat, steht in Gefahr, im Stillstand zu verharren. Wer ganz in einer Traumwelt lebt, steht in Gefahr, abzuheben und den Bezug zur Realität zu verlieren.
Eines meiner Lieblingslieder fängt so an: Halte deine Träume fest, lerne sie zu leben!
Alte Geschichten
Als Kind war ich fasziniert davon, wenn in meiner Familie Geschichten von früher erzählt wurden. Meistens ging es um die Kriegs- und Nachkriegszeit, um die Kindheit und Jugend meiner Eltern. Die Geschichten waren spannend und aufregend. Als Kind der 60er Jahre spielten sie für mich in längst vergangenen Zeiten.
Heute hört meine dreijährige Tochter begeistert Geschichten, als ihre Eltern noch Kinder waren.
So viel du brauchst – Menschen brauchen Geschichten von früher. Wer wissen will, wer er oder sie ist, muss wissen, woher er oder sie kommt. Familiengeschichten können besonders Kinder faszinieren, weil sie etwas mit ihren Wurzeln zu tun haben. Es geht nicht um Heldengeschichten. Kinder interessieren sich dafür, dass auch die Eltern in ihrer Kindheit schlimm waren, dass ihnen Missgeschicke passiert sind, dass auch sie ängstlich waren.
So viel du brauchst – alte Geschichten können auch schrecklich langweilig sein, wenn vergangene Zeiten nur verherrlicht werden. Manchmal können sie auch dazu führen, dass Menschen darin gefangen bleiben, weil sie sich der Gegenwart entziehen wollen.
Die Bibel ist voller alter Geschichten. Wenn wir genau hinhören, können sie uns viel über uns selbst erzählen, über menschliche Stärken und Schwächen, über Gefahr und Rettung. Diese Geschichten haben mit unseren Wurzeln zu tun und können uns gleichzeitig das Fliegen lehren.
Technologie und Freiheit
Als Schüler eines Gymnasiums in den 70er Jahren haben wir uns darüber lustig gemacht, wenn eine Lehrerin mit der damals hochmodernen Technologie eines Kassettenrekorders nicht zurechtkam. Sie bat uns, die Kassetten einzulegen und den richtigen Knopf zu drücken.
Heute unterrichte ich an einer Schule, an der es in jedem Klassenraum Computer mit Zugang zum Internet und Beamer gibt. Wenn ich einmal ein Programm nicht sofort starten kann, bitte ich die Schüler und Schülerinnen, mir zu helfen. Nach 40 Jahren kann ich nachfühlen, wie es damals meiner Lehrerin gegangen sein muss.
Die technische Entwicklung der vergangenen Jahre fordert uns ständig und überfordert viele. Wie sich die vielfältigen Möglichkeiten der modernen Kommunikation und ihre rasante Geschwindigkeit auf unsere Seele auswirken, ist noch viel zu wenig erforscht. In einem Experiment haben letztes Jahr in der Fastenzeit Schüler einer HTL freiwillig eine Woche lang ihr Handy nicht benutzt.
Manche berichteten, sie fühlten sich so, als ob ihnen ein lebenswichtiger Körperteil fehle. Andere erzählten, dass sie eine ganz neue Freiheit entdeckten, weil sie nicht mehr ständig das Gefühl hatten, sie versäumen eine wichtige Nachricht.
Soviel du brauchst: Technologie kann unser Leben wunderbar erleichtern, sie kann aber auch zum Herrscher über uns werden. Martin Luther hat einmal gesagt: Woran Du Dein Herz hängst, das ist eigentlich Dein Gott.